Allein reisen

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panamericana2012

Allein reisen

Beitrag von panamericana2012 »

Hallo Franz,

jetzt kommen wir ziemlich off-topic (vielleicht verschiebt der Admin das besser?), aber das mit dem "nicht alleine reisen wollen" höre ich oft. Dabei ist das überhaupt kein Problem (vor allem, wenn deine Frau schon zugestimmt hat! Normalerweise ist das ja oft ein Ko-Kriterium). Ich habe dazu schon vor einiger Zeit ein oder zwei Seiten geschrieben, die ich aber noch nicht im Blog veröffentlich habe. Hin und wieder ergänze ich mal was, das ist ein stetiges "wachsen".
Ich füge das jetzt einfach mal hier ein...

Über das Reisen mit mehreren Leuten

Teile dieses Textes habe ich schon ein paar Wochen geschrieben, bisher aber immer weiter nach hinten geschoben. Jetzt ist er fällig. Es geht über das Reisen ohne Reisepartner, und vielleicht tippe ich ihn gerade deshalb heute fertig, weil ich allein in einer Hütte in den Bergen Costa Ricas sitze. (Wäre ich zu zweit, würde ich wahrscheinlich heute nicht dazu kommen, den Text zu schreiben.)
Als ich meine Tour geplant habe, stand eigentlich von Anfang an fest, dass ich alleine fahren werde. Zum einen, weil es im Freundeskreis niemanden gab, der ebenfalls die Panamericana fahren wollte, und vor allem die Zeit und das Geld dafür gehabt hätte. Für mich war es nie ein Problem, Freunde, Bekannte und Kollegen waren jedoch meist erstaunt, warum ich mir keinen Reisepartner gesucht habe. Jetzt, nach mehr als vier Monaten unterwegs, kann ich sagen, dass es die richtige Entscheidung war, allein loszufahren.

Entweder war es Helge Timmerberg oder Rüdiger Nehberg, jedenfalls hat einer von beiden einmal sinngemäß geschrieben, dass man gar nicht erst lange versuchen sollte, zuhause irgendjemanden zu überreden, doch mitzukommen. Meist kommen dann mehr oder weniger fadenscheinige Ausreden, warum man gerade in dem Zeitraum nicht kann. Unterwegs aber, da trifft man die Leute, die bereits den Mut bewiesen haben und aus dem Alltag ausgebrochen sind. Reisepartner, sei es auch nur für ein paar Tage oder Wochen, findet man viel leichter unterwegs. Denn derjenige bereist ja schon das gleiche Land für das man sich selbst interessiert, vielleicht sogar auf die gleiche Art und Weise, ob nun mit Bus, Fahrrad oder Motorrad.
Mehr als zwei Wochen war ich in Mexiko mit Matt und den beiden Marks unterwegs, und es hat wirklich gut gepasst. Es war eine Art stillschweigendes Abkommen, dass ich die drei auf der Baja begleite, und ich hätte jederzeit die Möglichkeit gehabt, allein weiter zu fahren, wenn mir etwas nicht gepasst hätte. Und die drei hätten sich auch bemerkbar gemacht, wenn sie damit nicht einverstanden gewesen wären. Vier junge Männer, alle fast gleich alt und mit ähnlichen Interessen, auf einer ähnlichen Tour mit ähnlichem Budget. Keiner von uns hat ständig aufs Geld geachtet (obwohl wir alle ein eng begrenztes Budget haben), wir alle sind gerne mal einen Trinken gegangen und auch was das Essen anging lagen wir ziemlich auf einer Wellenlänge. Da gibt es nicht viele Reibungspunkte, und ich habe mich mit den Dreien wirklich gut verstanden. Ein tage- oder wochenweises gemeinsames Reisen ist vielleicht die beste Möglichkeit. Und in diesem Falle mussten wir alle nur wenige (aber doch ein paar, siehe nächster Absatz) Kompromisse eingehen.

Wer mindestens zu zweit reisen möchte, sollte sich die Frage stellen, ob er bereit ist, häufig Kompromisse einzugehen.
Nie sind morgens alle gleichzeitig fertig, irgendjemand wartet immer auf den anderen. Während ich mein Zelt und Zeug bequem in 45 Minuten zusammenpacke, brauchte Matt dafür gut und gerne doppelt so lange. Oder: Einer muss zur Bank, die anderen schwitzen draußen in der Sonne. Beim Tanken das gleiche, irgendwas ist ja immer. Auch nicht schön: Zu viert in einer Großstadt zu fahren, und immer jemanden zu verlieren oder hinter Ampeln warten zu müssen, weil jemand meint, einen riesigen Abstand halten zu müssen, in den sich dann natürlich die Autos drängen. Besonders das ständige Warten hat mich genervt, und ich bin froh, jetzt erst einmal wieder allein unterwegs zu sein. Ich kann meine eigenen Entscheidungen treffen, meine eigene Route fahren und so lange oder kurz an einem Ort bleiben, wie ich will. Städte, die mir auf Anhieb nicht gefallen, kann ich links liegen lassen, ohne dass ich einen eventuellen Reisepartner verärgern würde.
Sicherer unterwegs ist man mit mehreren Reisenden, soviel ist klar. Allein wäre ich bestimmt nicht nachts in Loreto mit zwei Einheimischen in ein paar Kneipen gegangen. Wahrscheinlich hätte ich auch nicht allein am Strand gezeltet – wobei, vielleicht doch. Aber schon der schwierige Weg zum Strand kann gefährlich sein, wenn man unglücklich stürzt und sich unter Umständen verletzt hat. Aus Gründen der Vernunft wäre ich auch das wirklich abgelegene Offroad-Stück auf der Baja nicht allein gefahren. Nicht nur wegen möglicher Verletzungen; jeder von uns hat sein Bike mindestens einmal im Sand umfallen lassen und war froh, wenn er die schwere Fuhre nicht ohne Hilfe wieder hochwuchten musste. Gerade mit meiner Maschine, die deutlich mehr wiegt als die KLRs der Australier, wäre das extrem schwierig geworden.
Noch ein anderer und vielleicht der wichtigste Punkt: Wer alleine reist, lernt deutlich mehr Leute kennen. Egal ob mit Einheimischen oder Touristen, ich glaube, dass ich hier viel schneller Kontakte knüpfe, als wenn ich mit Reisepartner unterwegs wäre. Was man sonst vielleicht untereinander beratschlagt und vermutet, erfrage ich bei Einheimischen – etwa wenn es um eine bestimmte Route geht. Ich bilde mir ein, dass ich auch in den Hostels viel schneller mit Leuten ins Gespräch komme. Als Paar bleibt man doch eher unter sich.

Geteiltes Leid ist halbes Leid, geteilte Freude ist doppelte Freude? Den ersten Teil würde ich bestätigen, den zweiten nicht. Natürlich gibt es hin und wieder schöne Momente, die ich gerne mit jemandem teilen würde. Ob das aber die anderen Punkte aufwiegt, die ich oben beschrieben habe?
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Franz
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Re: Allein reisen

Beitrag von Franz »

Hallo Mathias,

danke für Deine ausführliche Beschreibung.

Du schreibst mir eigentlich aus der Seele. Im Allgemeinen bin ich meist auch alleine unterwegs, zumindest bei Tagesausflügen. Man braucht nichts auszumachen, man muss nicht warten, man kann seinen Stiefel fahren und man muss keine Rücksicht nehmen.

Dass man das Prinzip aber auch auf lange Touren anwenden kann, kam mir noch nicht in den Sinn.
Bisher war ich immer bei mehrtätigen Touren zu mehreren unterwegs. Schon allein deshalb, da einem geholfen werden kann, wenn etwas Unvorhersehbaren passiert. Aber wie Du schon schreibst, man kann sich zu einen darauf einstellen und vorsichtiger sein und zum anderen wird man auch jemanden finden der hilft.

Du hast mir auf jeden Fall Mut gemacht, dies zumindest zu testen. Die Panamerica werde ich nächstes Jahr noch nicht unter die Räder nehmen, aber ich wollte ja immer schon mal nach Marokko. Eine Tour über das Zentralmassiv, entlang der Nordküste von Spanien, durch Portugal nach Marokko und wieder zurück wäre doch mal ein Anfang, um zu testen, ob das Alleinreisen funktioniert.
Viele Grüße
Franz

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