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Offroad Training oder auch "Reiseendurotraining"

Verfasst: Do 22. Mai 2014, 10:57
von der Dübel
Letztes Wochenende haben wir ein sog. Reiseendurotraining in der Nähe von Schweinfurt absolviert.
Kostenpunkt für das eintägige Grundlagen Training waren 119 Euro, Motorrad muss man mitbringen.
Der Veranstalter hat sich, so unser Eindruck, für einen Tag die Motocross Strecke gemietet und dort
dann mit mehreren Gruppen, mehrere Trainings gemacht.

Insgesamt waren wir sicher 30 Teilnehmer, sechs davon in der Gruppe "Reiseenduro", die übrig gebliebenen
wurden in Einsteiger und Fortgeschrittene aufgeteilt.

Zuerst kam uns die Organisation etwas durcheinander vor, das Einschreiben und Anmelden hat eine gefühlte
Ewigkeit gedauert und wir mussten ca. 45 Minuten warten ohne zu wissen was passiert oder wie es weiter geht.
Später hat sich dann herausgestellt das die Veranstalter selbst erst fünf Minuten vor uns am Platz waren und sich
selbst erst einmal organisieren mussten, bevor sie das mit den Gruppen machen konnten.

Nach dieser Wartezeit ging es dann aber schnell zur Sache. Der Veranstalter selbst hat uns zuerst einmal freundlich
begrüßt, mit einer lustigen Mischung aus Schweizerdeutsch und Sächsisch wurden wir auf die Ereignisse des Tages
eingestellt. Danach die beiden anderen Trainer bzw. Instruktoren vorstellen und schon waren wir mit Dehnungsübungen beschäftigt. Springen, dehnen, Mittelchen gegen Krämpfe in den Unterarmen... Witzig und sinnvoll...

In unserer Gruppe befanden sich eine Super Tenere, zwei BMW 650 GS, eine BMW 1200 GS, eine BMW 1200 GS Adventure und eine KTM 990 Adventure. Die Teilnehmer an sich waren mehr oder weniger gut vorbereitet. Die KTM wurde standesgemäß von einem knallorangen Rennoutfit bewegt, sogar an die Halskrause wurde gedacht, die BMW 1200 wurde von einem sympatischen älteren Herren, geschätzt 65 Jahre, angetrieben. Bis auf den sympatischen Kuhtreiber hatten alle Teilnehmer Stollenreifen, oder besser, stolliges Profil. KTM mit Mitas Reifen, der Rest mit Heidenau K60.

Der erste Auftrag unseres Instruktors war klar formuliert:
"Koffer und Spiegel ab, hier ist das Werkzeug, lasst euch nicht aufhalten..."
Nach der ersten Runde habe ich übrigens auch meine Scheibe abmontiert, ich hatte vor lauter geschepper Angst das
ich irgendwas verliere :)

Danach ging es auf eine große grüne Wiese ohne nennenswerte Unebenheiten, direkt neben der Cross Strecke.
Hier angekommen wurden wir zuerst in die Geheimnisse des "stehend Fahrens" eingeweiht, also Knie durchdrücken,
aufrecht stehen, die Hüfte ist der Knickpunkt, Oberkörper leicht nach vorne, auf dem Lenker ruhen. Beim
beschleunigen legen wir uns noch weiter nach vorne, beim bremsen den Arsch nach hinten um keinen Überflieger
zu machen. Derart aufgeklärt durften wir die ersten kleinen Runden auf der Wiesenfläche drehen, immer unter
Beobachtung des Instruktors, bei jeder Runde gab es kleine Verbesserungsvorschläge seitens des Trainers.

Als nächste Lektion stand das Kurvenfahren auf dem Programm, im stehen, äußere Fußraste belasten, Arsch auf
die Außenseite der Kurve legen, Motorrad in die Kurve fallen lassen...in der Theorie schnell geschrieben, in der
Praxis gar nicht so einfach. Das schwierigste ist wohl das löschen der eingebrannten Abläufe im Straßenverkehr.

Als wir auch diese Lektion gehört und teilweise gelernt hatten, sich schon eine Spur der Verwüstung auf der Wiese
abgezeichnet hatte und wir eigentlich auch schon bereit für eine ausgedehnte Pause waren...ging es erst richtig los.
Unser Instruktor hat den nun folgenden Abschnitt unseres Trainings mit den Worten
"wir fahren uns mal den Kopf frei" eingeleitet... Pustekuchen...

Die kleine Reisegruppe folgt dem Trainer also in den Steinbruch, auch Crossstrecke genannt. Auf die Unterschiede
zwischen einer Super Tenere (ca. 270 KG) und einer BMW G450X (ca. 120 KG) was das Handling angeht brauche ich
an dieser Stelle wohl nicht eingehen :) Wobei ich ehrlich sagen muss, ist die Angst erst einmal besiegt oder
zumindest ruhig gestellt, verkleinert sich auch der Unterschied im Handling. Klar sind weniger KG besser im
Gelände, aber sobald alles in Fahrt ist und sich bewegt, kommt man auch mit 270 KG zurecht. Nach fünf oder sechs
Runden um und in der Crossstrecke stellt sich tatsächlich eine Art Sicherheit ein.

Die gewählte und bereits angesprochene Route "um und in" der Strecke war tatsächlich toll gewählt. Zum einen
sind wir fleißig über die Sprungschanzen ("Kicker") gefahren, nicht gesprungen, zum anderen kleine Trampelpfade
entlang der Strecke um immer mal wieder in den Streckenverlauf einzubiegen. Besonders schön ist das Gefühl einen
Kicker zu erklimmen, voller Mut und Tatendrang diesen auch mindestens genauso elegant wieder zu verlassen, nur
um dann feststellen zu müssen das die anderen Teilnehmer an der Kante stehen und schauen...nach unten... :)
Als letzter der Gruppe bleibt nur das abwarten und schon steht man selbst an der Kante, schaut ca. 5 Meter nach
unten (gefühlt 60 m) und überlegt sich was der Verkäufer der Yamaha über das ABS gesagt hat...nicht abschaltbar...
im Gelände schwierig...dazu kommen dann die Instruktionen des Trainers...bergab nur die hintere Bremse...
Hinterreifen blockiert nachziehen...entspannen... Ein Wechselbad der Gefühle und Ängste, aber auch eine tolle
Erfahrung für die eigenen Grenzen...

Es ist tatsächlich so, was einem im Weg steht sind die eigenen Bedenken und Ängste, die eigenen Grenzen und
selbst geschaffenen Hindernisse. Was sich in geschriebener Form wie ein Groschenroman liest, lässt sich schnell
und einfach nachvollziehen. Die erste Runde durch den Steinbruch bin ich noch angespannt und gestresst hinter
meinem Trainer nach, am späteren Abend kurz vor Ende des Tages, war mir ein kräftiges Lächeln ins Gesicht
gemeißelt, vollgepumpt mit Adrenalin und sonstigen lustigen Stoffen die ein Körper so auf Lager haben kann.

Allerdings war genau dieser Übermut dann auch für einen kleinen Sturz verantwortlich. 30 Minuten vor Abschluss
des Tages hat es mir in einer linken Linkskurve das Hinterrad weggezogen, keine Kontrolle, Maschine nach links
abgelegt und ein bisschen durch den steinigen Boden gepflügt. Passiert ist der Tenere nichts, den linken
Sturzbügel hat es etwas verbogen, der Schalthebel lag etwas höher und der Nippel vom Seitenständer ist nun
etwas höher... Aber nichts ernstes, nichts was man nicht wieder gerade biegen könnte.
Übrigens, ich bin sehr zufrieden mit den Bügeln von SW - Motech, die machen genau das was sie sollen und zwar
genau da wo sie es machen sollen. Die Maschine hat keinen Kratzer abbekommen, der gesamte Aufbau der linken
Seite ist durch den Bügel geschützt worden.

Mein persönliches Fazit für diesen Tag? Absolut genial!
Jeder der mit seiner Maschine einen Urlaub plant und dieser nicht auf dem ersten bisschen Schotter aufhören soll,
sollte so ein kleines Training gemacht haben. Mir wurden viele Ängste genommen, auch wenn ich noch lange lange
kein Profi bin, nicht mal ein Amateur, so weiß ich nun viel besser was mit meiner dicken alles möglich ist.
Der Feldweg macht mir nun überhaupt keine Sorgen mehr, der Schotterpass in den Alpen steht als nächstes auf
dem Programm. Als Änderung an meinem Jagdbomber wünsche ich mir eine ordentliche Rallie Verkleidung die
so fest mit dem Motorrad verschraubt ist das nichts klappert oder scheppert bei einer Bodenwelle. Wahrscheinlich
werde ich da mal ein Wörtchen mit Roger Guhr sprechen, eventuell kann man da was aus Alu machen... :)

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Re: Offroad Training oder auch "Reiseendurotraining"

Verfasst: Do 22. Mai 2014, 11:41
von fine
Hi Dübel, danke für den Einblick, liest sich sehr fein und vielversprechend.

Steht bei mir auch noch auf dem Programm, wie auch ein Wheelie-Training. Was mit besonders gut gefällt, ist dass Du direkt mit der :xt12: ins Gelände gezogen bist - Respekt! Ich hatte mir gedacht, zunächst einmal eine GS abzulegen, das täte mir dann nicht so weh. :lol:

Fine

Re: Offroad Training oder auch "Reiseendurotraining"

Verfasst: Do 22. Mai 2014, 12:47
von XT1200Z
der Dübel hat geschrieben: ... und überlegt sich was der Verkäufer der Yamaha über das ABS gesagt hat...nicht abschaltbar...
20140517_155731.jpg
hi dübel,
dein bericht deckt meine erfahrungen, die ich auch vor 3 jahren machte ...

kurzer einwand zum ABS und deinem verkäufer:

- Bike auf den Hauptständer aufbocken. Vorsicht, besonders mit Gepäck, dass das Hinterrad nicht den Boden berührt.
- Starten und den 2. Gang einkuppeln
- Warten, bis die ABS-Kontrollleuchte aufleuchtet

gruss
tom

Re: Offroad Training oder auch "Reiseendurotraining"

Verfasst: Do 22. Mai 2014, 15:36
von Fun-biker
Hi Dübel,
ist ja genau was ich gern machen würde. Hast du nähere Infos zum Veranstalter?
Gruß
Volker

Re: Offroad Training oder auch "Reiseendurotraining"

Verfasst: Do 22. Mai 2014, 19:20
von der Dübel
Homepage des Veranstalters:
http://www.enduroschule-jens-scheffler.de/" onclick="window.open(this.href);return false;

Wie gesagt, am Anfang etwas chaotisch, aber der weitere Verlauf war toll.
Später hat sich dann herausgestellt, die Veranstalter mussten auf halbem Weg
zum Steinbruch nochmal umdrehen weil sie den Ordner mit den Teilnehmern vergessen
hatten =)

Deswegen wohl der stressige Ablauf beim einschreiben und anmelden :)

Re: Offroad Training oder auch "Reiseendurotraining"

Verfasst: Do 22. Mai 2014, 23:54
von Leone blu
@Dübel - Danke Dir für Deine Top-Beschreibung, ich hab' morgen (also ... ... gleich) ein Enduro-Training, die Vorfreude ist nochmal ein Tutterl gestiegen. In 24 h bin ich schlauer...

Ciao, R.

Re: Offroad Training oder auch "Reiseendurotraining"

Verfasst: Fr 23. Mai 2014, 08:36
von Perry1200
Hallo

Klasse Bericht, macht Appetit auf mehr.... bzw. selber machen.
EIne Frage hab ich aber.
Hast Du die Traktionskontrolle angelassen???
Nervig ist doch, daß man die immer wieder abschalten muß, wenn man mal die Zündung aus hatte.
Oder gibts da eine "Schaltermöglichkeit"?


mfg Torsten

Re: Offroad Training oder auch "Reiseendurotraining"

Verfasst: Fr 23. Mai 2014, 09:18
von der Dübel
die Traktionskontrolle war sogar schuld an meinem Sturz um ehrlich zu sein...

Am Anfang bin ich einfach nur unbedarft los, an gar nix gedacht, TCS auf 1 und ab...keine negativen
Einbußen gespürt beim fahren. Im weiteren Verlauf des Tages habe ich angefangen mit Gedanken über
ABS und TCS zu machen, mit dem Ergebnis das ich TCS auf 2 gestellt habe, ABS ignoriert, ging im Gelände
eigentlich gut...

Ganz zum Ende der Schulung hab ich dann TCS ausgeschalten und siehe da, in der Kurve zieht es mir das Hinterrad
weg... ich bin halt einfach kein Offroad Profi :)

So, soviel zum Thema Coming Out :)

Re: Offroad Training oder auch "Reiseendurotraining"

Verfasst: Fr 23. Mai 2014, 09:27
von DrWolle
Moin Dübel,
schön geschriebener Bericht :daumen: Ich bin in 2012 in Ligurien ins kalte Wasser gesprungen, was Schotter und so betrifft. Hat auch geklappt, aber aus heutiger Sicht denke ich, so ein Training wärs gewesen :mrgreen:
Es ist beeindruckend, was mit unserer :xt12: so im Gelände geht, keine Frage, aber je weniger Gewicht desto besser geht das. Seit ich meine XChallenge habe bin ich öfter abseits der Strassen unterwegs und habe einen Vergleich, im Prinzip wäre alles auch mit der :xt12: fahrbar, aber eben nur mit 20 im 1. Gang statt im 3. Gang mit 50 oder 60 :mrgreen:
Trotzdem ist die Dicke ein tolles Mopped und ich fahre sie immer noch super gerne :daumen:
Von mir also auch die Empfehlung, so ein Dickschifftraining zu absolvieren, das schafft Selbstvertrauen und Zutrauen in die :xt12:

Re: Offroad Training oder auch "Reiseendurotraining"

Verfasst: Fr 23. Mai 2014, 11:04
von AndiM
Moin,

ich hab mir anfang Mai ein 2-Tages Training in Hechlingen gegönnt und kann nur jeden empfehlen ein Offroad-Training zu machen, falls mal die normale Straße ausgehen sollten.
Wie Dübel schon geschrieben hat, fängt es bei den Kurven an, geht weiter über richtiges Bremsen und hört bei den Hangfahrten auf ... beides geht viel leichter wenn man auch nur ansatzweise die richtige Technik verwendet bzw. mal gesehen/erlebt hat was alles mit so einem dicken Ding machbar ist.
Ich bin in Hechlingen mit einer 800er GS gefahren und zwischendurch auch mal ein wenig mit einer 1200er -> den Gewichtsunterschied spürst beim Fahren überhaupt nicht (nur beim aufheben), zumindest auf dem Hechlingen-Gelände.

ABS: Bremsübungen haben wir mit und ohne ABS gemacht -> sollt ich mal gezielt eine gröbere Schottertour machen, dann verbau ich vorher einen Schalter fürs ABS
TSC: ohne geht alles viel runder u. geschmeidiger, eine erfolgreiche Hangauffahrt könnt am TSC leicht scheitern :oops:

Ein Video welches ich mir vorher angesehen habe und mir mächtig Respekt eingeflösst hat, is das von Mimoto




lg
Andi