Das hört sich doch fast wie ein beginnender Herbst-Blues an.
Sitze ja auch seit 1976 auf den verschiedensten Moppeds. Klar haben sich die Motorräder seit damals verändert, wie auch die Autos.
Auch von einem Auto erwartete "damals" kaum jemand Kilometerleistungen jenseits der 200.000 (die dicken alten MB Diesel mal ausgenommen). Dann die Rostproblematik... Und das ist auch gut so.
Es war eine andere Zeit, wir waren jung, hatten kaum Geld, aber wir fühlten uns wie die Helden mit unserem ersten motorisierten Zweirad. Was haben ich an meinem ersten Zweigang MOFA rumgeschraubt, Stollenreifen drauf gezogen und und und. Die Hände schwarz bis zu den Ellbogen. Dann endlich 18 und das erste "richtige" Motorrad 'ne 125er mit 12 PS, weil ich mir nicht mehr leisten konnte (natürlich immer mit sehnsüchtigem Blick auf die damaligen dicken Dinger CB750, Z900 usw). Dann eine SR mit fast der dreifachen!! Leistung. Aber wir sind mit diesen schwachbrünstigen Dingern durch halb Europa gefahren und waren glücklich.
Diese Erinnerungen beschreiben wir mit der "guten alten Zeit". Wir haben keine Erinnerung mehr an die schmerzenden Pobacken nach 400 Kilometern und die anderen Unzulänglichkeiten, der damaligen Zeit. Wir hatten auch mehr Zeit oder haben sie uns genommen. Die Straßen gehörten uns, auch weil sie nicht so befahren waren. Wenn ich heute von meiner Dicken direkt auf meine 78er SR umsteige (ja hab sie noch und gebe sie auch nicht mehr her) dann ist das eine andere Welt und ich merke das Leistung und Perfektion (in diesen Moment) nicht alles ist. Ich fahre sie immer mal wieder noch für ein paar Kilometer, auch um mich zu entschleunigen, grinsend und ungläubig, wo ich mit ihr überall war. Mit ihr aber den letzten Urlaubstripp von 5.700 Kilometern durch Kroatien, Bosnien und Montenegro zu bewältigen

. Ich glaube nicht dass mir das wirklich Spaß gemacht hätte.
Ich habe mich verändert!!! Genieße die Perfektion, das ABS die Reisetauglichkeit und Popoverträglichkeit (und meine Frau hätte es auf dem Rücksitz der SR wohl kaum länger ausgehalten).
Und Charakter haben Motorrad auch heute noch, es kommt nur darauf an, was einem wichtig ist. Charakter kann man ja verschieden definieren. Aussehen, Sound, Durchzug, Komfort, Sportlichkeit etc. Und wenn man auf Retro steht, bieten die Hersteller auch heute genügend "vernünftiges" Material an.
Merke beim Schreiben, dass ich auch die "gute alte Zeit" vor Augen habe. Möchte ich nochmal zwanzig sein, in den siebziger Jahren??
Nein, denn da fallen mir auch Dinge ein die mir gar nicht gut in Erinnerungen sind.
Ich bin heute knapp 60 und besitze mit der

ein super Motorrad, dass alles fast perfekt kann. Wenn ich das Gefühl habe die gute alte Zeit wieder aufleben lassen zu müssen, dann gehe ich in die Garage ziehe mir feste Stiefel an und versuche meine "alte Lady" anzukicken. Und meistens kommt sie auch nach spätestens 2 bis drei Versuchen. Wenn ich beim Abstellen auch brav den Vergaser geleert und frisches Benzin drin ist. Sonst heißt es, wie früher, schrauben. Aber das macht an den alten Dingern ja immer noch Spaß.
In diesem Sinne, schöne Erinnerungen an die gute alte Zeit.
Andreas